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Die Hashimoto-Lüge: Irrtümer, Mythen und was wirklich hilft

Dr. Christian Lunow

Aktualisiert: 26. Feb.

Die "Hashimoto-Lüge" ist ein Begriff, der polarisiert – in Foren, Blogs und in alternativen Gesundheitskreisen. Kann es sein, dass Hashimoto eine Lüge ist? Ist sie womöglich eine Erfindung der Pharmaindustrie? Ist Hashimoto in Wirklichkeit ganz einfach heilbar? Als führendes Zentrum für Schilddrüsenerkrankungen möchten wir die Fakten von den Mythen trennen.


Die Hashimoto-Lüge: Was ist Fakt und was ist Fake?

Die Hashimoto-Thyreoiditis ist die häufigste Ursache für Schilddrüsenunterfunktion in westlichen Ländern. Vier bis zehn Prozent der Bevölkerung erkranken irgendwann im Laufe ihres Lebens an Hashimoto-Thyreoiditis, und die Tendenz ist steigend. Betroffene leiden unter Beschwerden wie Müdigkeit, Gewichtszunahme, Depression oder Verdauungsproblemen und sind in ihrer Lebensqualität zum Teil erheblich eingeschränkt.


Über Ursachen und Heilungsmöglichkeiten ist viel bekannt – leider längst nicht alles. Kurzum: Hashimoto ist kompliziert. Oder nicht? Ist es vielleicht ganz anders? Ist es möglicherweise sogar einfach? Das legen Posts in Schilddrüsenforen und Berichte nahe, in denen die „Hashimoto-Lüge“ thematisiert wird.

Worin genau besteht denn die „Hashimoto-Lüge“? Diese Frage zu beantworten ist gar nicht so einfach. Zwar wird nach „Hashimoto-Lüge“ viele Tausend Mal pro Monat auf Google gesucht, eine konkrete Antwort findet man nicht. Es scheint, als sei die „Hashimoto-Lüge“ zu einem Sammelbegriff geworden, unter dem Zweifel an der konventionellen Behandlung der Krankheit geäußert werden. Schulmedizinische Irrtümer tummeln sich darunter gemeinsam mit pseudowissenschaftlichen Halbwahrheiten und alternativen Heilsversprechen. Im Folgenden wollen wir einige der häufiger anzutreffenden Aussagen genauer betrachten. Was ist Fakt und was Fake?


Ultraschall der Schilddrüse bei Hashimoto
Ultraschall der Schilddrüse bei Hashimoto-Thyreoiditis

Hashimoto-Thyreoiditis ist heilbar – wenn man mehr Jod zu sich nimmt!

Die ausreichende Aufnahme von Jod durch die Nahrung ist für die Schilddrüse essenziell wichtig – das jedenfalls gilt für gesunde Menschen, insbesondere für Schwangere. Kann sich eine Steigerung der Jodzufuhr womöglich auch bei Hashimoto positiv auf die Schilddrüse auswirken, wie es manche Autoren vorschlagen?

Manche Theorien aus dem Themenkreis der „Hashimoto-Lüge“ sind vielleicht abwegig oder bloß umständlich – vor der Idee, die Jodzufuhr zu steigern, um die Hashimoto-Thyreoiditis zu kurieren, sollten Betroffene gewarnt sein. Zu viel Jod ist bereits für Gesunde ebenso schädlich wie zu wenig. Zahlreiche Studien deuten darauf hin, dass es einen Zusammenhang zwischen dem gehäuften Auftreten von Hashimoto und gesteigertem Jodkonsum gibt. Jod fördert in höherer Dosierung die Aktivierung von Zellen, welche die Immunprozesse bei Hashimoto-Thyreoiditis verursachen. Daher ist Betroffenen unbedingt abzuraten, die Jodzufuhr zusätzlich zu steigern.


Hashimoto-Thyreoiditis ist heilbar – wenn man auf Jod verzichtet!

Eine bewusste Kontrolle und Reduzierung der Jodaufnahme, etwa durch Verzicht auf jodiertes Speisesalz, kann sich positiv auf den Krankheitsverlauf auswirken. Heißt das im Umkehrschluss, dass ein völliger Verzicht auf Jod dann vielleicht zu einer Heilung der Krankheit führen kann? Kurz gesagt: nein. Selbst wenn es gute Gründe gibt, Jodkonsum als einen (von mehreren) krankheitsfördernden Faktor zu betrachten, so deutet nichts darauf hin, dass Hashimoto mit einem Verzicht auf Jod heilbar wäre, vor allem dann nicht, wenn die Autoimmunerkrankung das Schilddrüsengewebe bereits über längere Zeit geschädigt hat.


Nicht Hashimoto-Thyreoiditis verursacht die Beschwerden, sondern die „Nebennierenerschöpfung“!

Die Theorie der Nebennierenerschöpfung stammt aus den USA und ist mittlerweile in alternativen Medizinkreisen häufig anzutreffen. Anhänger führen die Beschwerden der Hashimoto-Thyreoiditis nicht auf die Erkrankung der Schilddrüse zurück, sondern behaupten, dass ein tieferliegendes Übel die Wurzel der Probleme sei: die stressbedingte Nebennierenerschöpfung. Sie bewirke, dass der Cortisolspiegel im Blut absinkt, wodurch sich die typischen Beschwerden wie Müdigkeit oder Depression erklären ließen.

Richtig ist: Innerhalb des endokrinen Systems stehen Schilddrüse und Nebennieren in enger Wechselwirkung. Bestimmte Prozesse, die mit Hashimoto-Thyreoiditis verbunden sind, können die Nebennieren beeinträchtigen und Abweichungen vom normalen Cortisolspiegel verursachen. Es gibt bisher jedoch keine wissenschaftlichen Beweise dafür, dass es sich bei der Nebennierenerschöpfung tatsächlich um eine eigenständige Krankheit handelt, noch dafür, dass Stress dazu führt, dass die Nebennierenrinde in ihrer Cortisolproduktion ermüdet.


Hashimoto-Thyreoiditis ist heilbar – wenn man auf Gluten verzichtet!

Wohl kaum ein anderes Thema wird in Online-Foren und Blogeinträgen häufiger debattiert als der Zusammenhang von Gluten und Hashimoto.

Gluten ist ein Protein, das in Getreide wie Weizen, Roggen, Gerste und Dinkel vorkommt. Und tatsächlich steht Gluten im Mittelpunkt einer Autoimmunerkrankung: der Zöliakie. Menschen, die an Zöliakie erkranken, leiden unter einer genetisch bedingten und durch Glutenbestandteile ausgelösten Fehlreaktion des Immunsystems. Die überschießende Immunantwort verursacht Entzündungen der Darmschleimhaut des Dünndarms. In vielen Fällen können Betroffene die Beschwerden lindern oder sogar beseitigen, wenn sie die Zufuhr von Gluten durch die Nahrung beenden.


Ist eine glutenfreie Ernährung gut für Hashimoto-Betroffene?

Nach aktuellem Stand spielt Gluten keine Rolle bei der Entstehung und dem Fortschreiten der Hashimoto-Thyreoiditis. Eine Heilung durch bloßen Glutenverzicht ist daher unplausibel und äußerst unwahrscheinlich. Wir haben jedoch immer wieder die Erfahrung gemacht, dass Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis dank einer glutenarmen Ernährung einen deutlichen Rückgang der Symptome verspüren. Der Grund dürfte sein, dass an Hashimoto Erkrankte häufiger Zöliakie entwickeln als Menschen mit gesunder Schilddrüse. Patienten mit positivem Hashimoto-Befund sollten unbedingt ein entsprechendes Screening durchlaufen.

Unser Tipp: Verzichten Sie probeweise auf Gluten! Hashimoto-Thyreoiditis wird dadurch nicht geheilt, aber es besteht die Möglichkeit, dass Sie einer bestehenden Zöliakie auf die Schliche kommen, sich Symptome bessern und Ihre L-Thyroxin-Dosis reduziert werden kann.


Hashimoto-Thyreoiditis ist heilbar – durch eine ganz bestimmte Ernährungsweise!

Diese Theorie der großen „Hashimoto-Lüge“ ist so erfolgreich, dass sie nicht nur Online-Foren und Social-Media-Gruppen beschäftigt, sondern gleich eine ganze Reihe von Büchern füllt. Ernährungsmedizin liegt voll im Trend. Daher verwundert es nicht, dass zahlreiche Autoren auch gegen Hashimoto eine passende Ernährungsweise entdeckt haben wollen. Ihre Programme leiten Betroffene zur Entgiftung der Leber an, zur Verringerung der Darmdurchlässigkeit, Entlastung der erschöpften Nebennieren oder – ohne lange Umschweife – direkt zur Heilung der Schilddrüse. Patienten streichen daraufhin zum Beispiel Obst aus ihrer Ernährung, aus Angst vor der vermeintlich schädlichen Wirkung von Fruktose, oder sie verzichten auf Gemüse, aus Vorsicht vor darin enthaltenen Lektinen.


Was ist also von diesen Vorschlägen zu halten? Die Aussicht, mit ganz „natürlichen“ Mitteln und ohne die Einnahme von Medikamenten ein beschwerdefreies Leben zu führen, ist für viele Betroffene, die nach Alternativen in der Behandlung von Hashimoto suchen, verständlicherweise sehr verlockend – so verlockend sogar, dass manche Patienten enorme Umstände im Alltag in Kauf nehmen. Andere greifen in ihrem Wunsch nach einem „natürlichen“ Heilungsweg durch Ernährung ungebremst zu Nahrungsergänzungsmitteln, Vitaminen, Spurenelementen, Antioxidantien und anderen Präparaten. Dabei sollte bereits die Vielfalt der kursierenden Ernährungsprogramme, die eine Besserung oder Heilung der Erkrankung versprechen, eine gewisse Skepsis wecken. Wir erleben es immer wieder, dass sich Patienten in den Details dieser Ratgeber verzetteln und ihre Ernährung eher unausgewogener als gesünder wird.


Was darf ich bei Hashimoto-Thyreoiditis essen?!

Ein Patentrezept gibt es nicht. Unser erster Ratschlag für Hashimoto-Patienten, die auf der Suche nach der besten Ernährung sind, lautet daher: Ernähren Sie sich zuallererst so, dass es Ihnen einen maximalen Nutzen bringt – nicht nur für Ihre Schilddrüsengesundheit, sondern für Ihre Gesundheit als Ganzes. Das ist eine Ernährung, die überwiegend dreierlei ist: ausgewogen, frisch, vorwiegend pflanzlich. Wir sind – mit oder ohne Hashimoto – hinsichtlich unserer Darmflora, unseres empfindlichen Hormonhaushalts und zahlreicher anderer an der Immunabwehr beteiligter Faktoren ganz buchstäblich einzigartig.Außerdem machen die Störungen, die Hashimoto-Thyreoiditis im Stoffwechsel verursachen kann, die Suche nach einem für alle Patienten gültigen Patentrezept zu einer großen Herausforderung. Aufbauend auf diesem Fundament kann der Ernährungsplan in einem zweiten Schritt an den individuellen Bedarf eines Menschen angepasst werden, zum Beispiel mithilfe von Auslassdiäten und Untersuchungen auf bestimmte Unverträglichkeiten.


Hashimoto-Thyreoiditis ist nur ein Frauenproblem!

Obwohl Frauen rund 10 Mal häufiger betroffen sind, können auch Männer an Hashimoto-Thyreoiditis erkranken. Bei ihnen bleibt die Erkrankung oft länger unentdeckt, da sie seltener routinemäßig untersucht wird und die Symptome mit anderen Gesundheitsproblemen verwechselt werden. Männer mit Schilddrüsenunterfunktion leiden zum Beispiel häufiger an erektiler Dysfunktion (Störungen der Potenz). Auch Ejakulationsstörungen und verringertes sexuelles Verlangen wurden als Symptome beschrie­ben. Übereinstimmend konnten verschiedene Studien nachweisen, dass eine Behandlung einer Schilddrüsenunterfunktion positiven Einfluss auf sexuelle Funktionsstörungen hat.


Es kann keine Hashimoto-Thyreoiditis sein, wenn Laborwerte im
Normbereich sind!

Die Diagnose und die Verlaufskontrolle der Therapie erscheinen in der Theorie ganz einfach: Liegen die Blutwerte eines Patienten im Normbereich, kann es nicht die Hashimoto-Thyreoiditis sein, die die Beschwerden verursacht. Unserer Erfahrung nach werden die wichtigsten Laborwerte und ihre jeweiligen Normbereiche jedoch zu häufig falsch interpretiert. Das TSH-Screening steht in der Regel am Anfang der Diagnostik. Bereits hier geraten Betroffene häufig an einen Scheideweg. TSH ist ein Hormon, das die Ausschüttung von Schilddrüsenhormonen regelt. Ergibt die Untersuchung, dass sich der TSH-Wert im Normbereich befindet, erhalten sie nicht selten die Diagnose: „keine Unterfunktion, also keine Hashimoto“.

Der Irrtum: Die Messung von TSH im Blut ist nicht geeignet, um eine Schilddrüsenfunktionsstörung bei klinisch auffälligen Patienten auszuschließen. Patienten können unter Hypothyreose und Hashimoto-Thyreoiditis leiden, selbst wenn der TSH-Wert im Normbereich liegt.



Es kann keine Hashimoto-Thyreoiditis sein, wenn keine Antikörper nachweisbar sind!

Bei 80 bis 90 Prozent der Menschen mit Hashimoto-Thyreoiditis ist die Konzentration von Antikörpern gegen die Thyreoidea-Peroxidase (TPO-AK) erhöht. Bei den meisten Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis können wir zudem Thyreoglobulin-Antikörper (TG-AK) in erhöhter Konzentration messen. Die Antikörper sind somit am besten geeignet, die Erkrankung nachzuweisen. Doch Vorsicht: Bei 10 bis 20 Prozent der Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis werden jedoch keine Antikörper gebildet bzw. befinden sich anfänglich keine erhöhten Antikörperwerte im Blut.

Beim Thema Laborwerte und Antikörperspiegel in der Diagnostik von Hashimoto liegt also ein großer Irrtum vor. Isoliert betrachtet haben die Parameter nur begrenzte Aussagekraft. Für eine zuverlässige Diagnose oder den Ausschluss der Hashimoto-Thyreoiditis sollten Schilddrüsenwerte im Zusammenspiel betrachtet werden – und noch wichtiger: stets der Mensch als Ganzes.


Fazit

Hashimoto-Thyreoidits ist eine Autoimmunerkrankung, die derzeit nicht heilbar ist (im eigentlichen Sinne des Wortes). Manchmal vergehen Jahre bis zur Diagnose, denn leider führt die Hashimoto-Thyreoiditis im Bewusstsein vieler Ärzte noch immer ein Schattendasein. Kein Wunder, dass Patienten nach enttäuschenden Erfahrungen mit der Schulmedizin verzweifelt auf anderen Gebieten nach Antworten auf ihre Fragen und Probleme suchen. In Internetforen oder Patientenratgebern finden sie unterschiedlichste Maßnahmen, Mittel und Ratschläge, in denen das Bild der „Hashimoto-Lüge“ suggeriert wird: „Die Medizin kann dir nicht helfen. Alternative Methoden bewirken nicht nur Beschwerdefreiheit, sondern heilen dich sogar von der Erkrankung.“

Wie unsere Beispiele zeigten, können manche Methoden wie die Reduzierung von Jod in der Nahrung oder Glutenverzicht Betroffenen durchaus Vorteile bieten, eine Heilung ist jedoch äußerst unwahrscheinlich. In seltenen Fällen sind Ratschläge kontraproduktiv oder sogar gesundheitsgefährdend, wie etwa die Steigerung der Jodzufuhr.


Als Fachärzte mit jahrzehntelanger Erfahrung in der Hashimoto-Therapie stehen wir Ihnen zur Seite – mit umfassender Diagnostik, individueller Behandlung und evidenzbasierter Beratung. Sie finden uns an unseren Standorten Bonn und Bornheim.


Schilddrüsenzentrum für die Behandlung der Hashimoto-Thyreoiditis
Schilddrüsenzentrum Bornheim

 
 
 

1 comentário


Convidado:
19 de fev.

Vielen Dank für die Aufklärung!

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