
WEITERE
AUTOIMMUNERKRANKUNGEN
Hashimoto-Thyreoiditis und andere Autoimmunkrankheiten
Bei manchen Menschen mit Autoimmunkrankheiten beschränkt sich die Attacke des körpereigenen Abwehrsystems nicht nur auf ein einziges Organ. Autoimmunerkrankungen neigen zur »Clusterbildung«. Hashimoto-Thyreoiditis tritt bei jedem vierten, mindestens bei jedem siebten Patienten zusammen mit einer oder mehreren weiteren Autoimmunkrankheiten auf. Schilddrüsenantikörper sind so auffällig oft bei Menschen mit Autoimmunkrankheiten zu sehen, dass es fast scheint, als sei ein entgleistes Immunsystem besonders anfällig dafür, Schilddrüsenantikörper zu produzieren.
Die Liste möglicher autoimmuner Begleiterscheinungen der Hashimoto-Thyreoiditis ist lang. Sie umfasst Beschwerden, die von organspezifischen Krankheiten wie Typ-1-Diabetes, perniziöse Anämie, Vitiligo, Zöliakie, Morbus Addison, Alopecia areata, Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa ausgehen, sowie Symptome, die von systemischen Erkrankungen verursacht werden. Dazu zählen rheumatoide Arthritis, Sarkoidose, SLE, Sjögren-Syndrom, Fibromyalgie, Myasthenia gravis. Einige von diesen Krankheiten werden wir im Folgenden genauer vorstellen.
Wieso treten verschiedene Autoimmunerkrankungen zusammen auf?
Menschen, die an einer Autoimmunerkrankung leiden, entwickeln mit größerer Wahrscheinlichkeit als die gesunde Bevölkerung eine
zusätzliche Autoimmunstörung. Dies könnte ein weiteres Indiz dafür sein, dass genetische Anlagen eine entscheidende Rolle spielen. Bei mehreren Autoimmunkrankheiten ließen sich Varianten der Gene feststellen, die die T-Zell-Aktivität regulieren. Diese Gene tragen Name wie CTLA-4, PTPN22 oder IL2RA. Zudem können Gene betroffen sein, die Informationen für wichtige Selbsttoleranz-Antigene (HLA-Klasse I und II) auf körpereigenen Zellen tragen. Auf der anderen Seite teilen einige Autoimmunkrankheiten Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Umweltfaktoren, die gemäß der Bad-Genes-Bad-Luck-Theorie notwendig sind, damit sie schließlich ausgelöst werden. Dazu zählen zum Beispiel Rauchen, Stress oder Vitamin-D-Mangel.
Bei Kombinationen von mindestens zwei Autoimmunerkrankungen, die Drüsen betreffen, spricht man von polyendokrinen Autoimmunsyndromen (PAS), auch autoimmun-glanduläre Syndrome genannt. Wir wollen im Folgenden auf häufige autoimmune Begleiterkrankungen blicken, unter denen Hashimoto-Patientinnen leiden. Bei der Liste handelt es sich wohlgemerkt um eine Auswahl und sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Das polyendokrine Autoimmunsyndrom (PAS)
Bei dem gleichzeitigen Auftreten von verschiedenen Autoimmunkrankheiten in endokrinen Geweben unterscheidet man vorrangig zwei Typen: Das PAS 1 (juvenile Form) und das PAS 2 (adulte Form).
PAS 1: Das Muster des PAS-Typs 1 besteht aus den drei typischen Krankheiten der Autoimmunerkrankung der Nebennierenrinde (Morbus Addison), einer Unterfunktion der Nebenschilddrüsen (Hypoparathyreoidismus) und einer Infektionskrankheit durch Pilze (Candidiasis). Zudem können weitere Krankheiten auftreten, wie eine Unterfunktion der Keimdrüsen oder die Autoimmunhepatitis (Autoimmunkrankheit der Leber). Die meisten Patienten mit PAS-Typ 1 erkranken an drei oder mehreren Krankheitskomponenten. Dabei zählen Hypoparathryeoidismus und Nebennierenrindeninsuffizienz zu den häufigsten Erkrankungen. Eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse kann eine Komponente des PAS-Typs 1 sein, ist jedoch selten. Da sich die ersten Beschwerden des Syndroms meist in jungen Jahren, vor allem im ersten Lebensjahrzehnt, bemerkbar machen, wird der Typ 1 auch juveniler Typ genannt.
PAS 2: Das Muster des zweiten Typs besteht in erster Linie aus der Autoimmunthyreopathie, Morbus Addison und Diabetes mellitus Typ 1. Weitere gleichzeitig auftretende Autoimmunerkrankungen sind ebenso wie beim Typ 1 möglich, aber seltener. Das PAS-Typ 2 tritt erst im Erwachsenenalter ab dem zweiten Lebensjahrzehnt auf. Frauen erkranken bis zu dreimal häufiger als Männer.